Der Luchs in Deutschland

Luchs im Nationalpark Harz
Luchs im Nationalpark Harz

Luchse in Deutschland? Die sind doch längst ausgestorben, oder? Nicht ganz, denn in einigen deutschen Wäldern kann man die größte Katze Europas wieder in der freien Wildbahn beobachten. In verschiedenen Luchsprojekten setzen sich Artenschützer aktiv für die Rückkehr der pinselohrigen Raubtiere ein. Christian Lux vom Luchsprojekt Harz und Diplom-Biologin Sybille Wölfl vom Luchsprojekt Bayern erklären, was es mit dem „Comeback des Luchses“ auf sich hat.

Sie sind wieder da: Seit knapp 25 Jahren streifen Luchse wieder regelmäßig durch deutsche Wälder. Fast ein Wunder. Denn im 19. Jahrhundert waren Luchse in Deutschland so gut wie ausgerottet. Daran waren vor allem die Menschen Schuld: Jäger, Hirten und Bauern jagten die größte europäische Raubkatze, bis sie in Deutschland und anderen Teilen Mitteleuropas nahezu ausgestorben war. „Vor 200 Jahren galt der Luchs als Konkurrent des Menschen. Wenn er beispielsweise ein Schaf riss, dann war das für den Geschädigten häufig existenzbedrohend. Übergriffe auf Haustiere kommen heute zwar selten vor, aber sie sind nicht so bedeutend wie vor ein paar hundert Jahren, wo das Haustier als Ernährer fungierte,“ erklärt der Luchsbeauftragte Christian Lux vom Luchsprojekt Harz.

Besuch aus den europäischen Nachbarländern

In Ost- und Südeuropa sowie in Skandinavien blieb der Luchsbestand größtenteils erhalten. Anfang der 1970er Jahre kehrte der Luchs nach Österreich, Tschechien und die Schweiz zurück. Insbesondere in den Alpenregionen und entlang der deutsch-tschechischen Grenze vermehrten sich die Luchse. Immer wieder kamen einzelne Tiere aus den benachbarten Gebieten über die Grenzen hinweg nach Deutschland.

Comeback der großen Katze

Entlang des gesamten bayerisch-böhmischen Grenzgebietes, fingen die Luchse an, sich wieder anzusiedeln. In anderen Teilen Deutschlands, beispielsweise in Schwarzwald und in der sächsischen Schweiz, in Hessen und in der Eifel traten ebenfalls vereinzelt Luchse auf. In den folgenden Jahren verstärkten Artenschützer ihre Bemühungen, die verbliebenen Tiere zu erhalten. Projekte zur Wiedereinbürgerung und Aufrechterhaltung der Luchs-Population wurden ins Leben gerufen. Derzeit sind die Luchsbestände relativ klein und bedürfen besonderer Schutzmaßnahmen, um das Überleben des Luchses in Deutschland langfristig zu sichern. „Oftmals ist ein Wiederansiedlungsprojekt die einzige Chance, die nahezu ausgerotteten Tiere wieder zurückzuholen. Es heißt ja auch: ‚Ein alter Harzer ist zurück’,“ erklärt Forstingenieur Christian Lux vom Nationalpark Harz. In sogenannten Wiederansiedlungsprojekten wird versucht, den bedrohten und verschwundene Tieren den einstigen Lebensraum Deutschland wieder zugänglich zu machen.

Luchsprojekt Harz

Mit dem Luchsprojekt Harz ist Anfang 2000 erstmals in Deutschland eine Initiative zur Wiederansiedlung des Luches eingeführt worden. In dem Nationalpark Harz wird aktiv zu der Ansiedlung der pinselohrigen Katzen beigetragen. Das Freisetzungs- bzw. Wiederansiedlungsprojekt ist zugleich auch Forschungsvorhaben. Die Luchse werden mithilfe von Fotofallen und Sendern gezielt beobachtet, um daraus Erkenntnisse über Verhalten und Fortpflanzung der Tiere zu erlangen. Es wird versucht, die Luchs-Population möglichst genau zu erfassen und eventuelle Entwicklungstrends daraus abzuleiten. „Bis 2006 haben wir 24 Tiere ausgewildert. 14 Tiere der Anfangspopulation sind mittlerweile wieder ausgefallen, die meisten durch Erkrankungen oder Verkehrsunfälle,“ erzählt Christian Lux. „Von 2002 bis 2010 sind uns bislang aber 86 Jungtiere, die in Freiheit geboren wurden, gemeldet worden. Sicher sind davon auch leider viele wieder verstorben – überfahren, von anderen Tieren gerissen oder sie haben früh das Muttertier verloren, so dass ihre Versorgungsquelle ausblieb. Viele Faktoren können hier eine Rolle spielen. Zur genauen Größe der Luchspopulation im Harz kann man allerdings derzeit noch keine genauen Angaben machen, dazu brauchen wir noch viel mehr Daten von besenderten Tieren, um genauere Aussagen zu Revierverhalten und dem Beutespektrum machen zu können.“

Luchsprojekt Bayern

Luchsprojekt Bayern
© Luchsprojekt Bayern

Das Luchsprojekt Bayern setzt sich ebenfalls gezielt für den Schutz und Erhalt der scheuen Raubkatze ein. Um dem Luchs in Bayern eine langfristige Perspektive zu geben, ist 2008 ein „Luchs-Managementplan“ entwickelt worden. Der Plan soll das „harmonische Zusammenleben“ von Mensch und Tier regeln. Das Motto lautet „Aktion statt Reaktion“: Menschliche Bedürfnisse und Ansprüche werden mit den Lebensraumansprüchen des Luchses in Einklang gebracht. Auch wenn Luchse es aus eigener Kraft schaffen können, sich in Deutschland weiter auszubreiten, brauchen sie zum dauerhaften Überleben die Hilfe des Menschen.

„Hier setzen Wiederansiedlungsprojekte an, um kleine Bestände aufzustocken oder neue Bestände zu gründen, die später miteinander verbunden werden können,“ erklärt Diplom-Biologin Sybille Wölfl vom Luchsprojekt Bayern. „Daher ist es auch so wichtig, die Durchgängigkeit unserer Landschaft zum Beispiel mittels Grünbrücken zu erhalten oder wiederherzustellen. Nur wenn die Luchse wandern können und genug Austausch stattfindet, haben die in Europa vorkommenden Teilpopulationen des Luchses eine Chance langfristig, das heißt die nächsten 50 bis 100 Jahre, zu überleben.“

Die Zukunft der pinselohrigen Raubtiere

Als Luchse vor mehreren hundert Jahren noch in vielen Regionen Deutschlands verbreitet waren, sah ihr Lebensraum anders aus als heute. Hat die größte europäische Katze unter den neuen Umweltbedingungen überhaupt dauerhaft eine Zukunft in Deutschland? „Ja, denn der Luchs ist sehr anpassungsfähig und nicht sehr wählerisch, wenn es um seinen Lebensraum geht. Es sind zwar andere Umweltbedingungen als vor 200 Jahren aber Wald ist Wald,“ bekräftigt der Luchsbeauftragte Christian Lux. „Eine Population steht und fällt mit dem Nahrungsangebot. Rehwild ist die Hauptnahrung des Luchses. Und der Rehbestand in deutschen Wäldern ist stabil.“ Flachland oder Gebirge: Solange es genügend Rückzugsmöglichkeiten und Nahrung gibt, fühlen sich der Pirsch- und Lauerjäger in Deutschland wohl. Fichtendickungen und felsreiche Gebiete in größeren Waldgebieten dienen ihm als Versteck. Wald-Feld-Grenzen besitzen eine hohe Wilddichte und gelten als ergiebiges Jagdgebiet.

Mithilfe aus der Bevölkerung

Um die Luchs-Population in Deutschland zu stärken und zu sichern, haben sich Jägerschaften rund um den Harz in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammengeschlossen. In enger Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung Harz sammeln sie alle Hinweise auf das Vorkommen des Luchses. Unterstützung bekommen sie hierbei von Förstern, Jägern, Waldarbeitern aber auch von aufmerksamen Waldbesuchern. Meldung über die Sichtung eines Luches, Rissfunde, Spuren im Schnee oder andere Beobachtungen nehmen die Luchsbeauftragten der Jägerschaften oder die zuständigen Forstbehörden entgegen. In Bayern gibt es dafür eigens ausgebildete „Netzwerker“, die im Rahmen des Netzwerks „Große Beutegreifer“ Meldungen entgegennehmen, Fragen zum Luchs beantworten oder potentielle Risse dokumentieren und so einen wichtigen Beitrag zum Luchs-Monitoring leisten.

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