In den meisten Bundesländern gibt es seit dem Jahr 2000 striktere Hundeverordnungen, die für bestimmte Hunderassen und deren Halter so genannte Wesenstests vorschreiben. Was ist darunter zu verstehen und wo liegen die Gefahren?
Bringt ein Wesenstest mehr Sicherheit?
Der Wesenstest für „gefährliche Hunderassen“ ist umstritten, denn das Verfahren kann zu Fehleinschätzungen führen. Dass wiederholte Wesenstests positiv ausfallen können und der Hund dennoch nicht von seinem gefährlichen Image loskommt, zeigt etwa der Fall „Mona“. Die Rottweilerhündin stammt ursprünglich aus Bayern und hat dort – möglicherweise aufgrund von Fehlverhalten beider Halter – einen Pudel tödlich verletzt. Den durchgeführten Wesenstest absolvierte Mona jedoch mit Bravour und die Hündin fand im Tierschutzverein „Animals Hope e. V.“ in Niedersachsen ein neues Zuhause. So weit, so gut. Einmal gebrandmarkt, kam es nach einigen harmlosen Rangeleien mit den Nachbarhunden zur Anzeige. Diese wurde übrigens von einer Tierärztin erstattet. Ein daraufhin erneut durchgeführter Wesenstest, der ebenfalls positiv verlief, wurde vom Veterinäramt plötzlich nicht mehr anerkannt. Behördenwillkür? Oder berechtigte Vorsicht? Wie dieses Beispiel zeigt, führen Wesenstests nicht immer zur erhofften Klarheit, sondern sind immer auch abhängig vom jeweiligen Ermessen.
Wesenstest: Was steckt dahinter?
Ziel des Wesenstests ist die Erkennung von Hunden mit gestörter, aggressiver Kommunikation. Der Test richtet sich vor allem an so genannte „Listenhunde“ sowie andere Rassen, die bereits durch aggressives Verhalten auffällig geworden sind. Im Testverfahren werden die Vierbeiner durch zielgerichtete Umweltreize und soziale Konflikte an ihre psychische Belastungsgrenze geführt. Die Tiere werden Situationen ausgesetzt, wie sie auch beim täglichen Spaziergang vorkommen können – also etwa andere Hunde, Menschen oder Radfahrer. Die Reaktionen des Hundes auf diese optischen, akustischen und geruchlichen Reize werden genau analysiert. Denn der Hund muss diesen Situationen so weit gewachsen sein, dass eine Gefährdung von Menschen oder Artgenossen möglichst ausgeschlossen werden kann.
Im Zuge des Tests durchläuft das Tier vier Bereiche
- Begegnungen mit Artgenossen
- Begegnungen mit Menschen
- Umweltfaktoren (Geräusche, bewegte und unbewegte Objekte)
- Beuteaktivitäten (z. B. Kinder)
Worin liegen die Gefahren von Wesenstests?
Je nach Ergebnis, das der Wesenstest bringt, kann die zuständige Behörde Schulungen für Hund und Halter vorschreiben bzw. Leinen- und Maulkorbpflicht anordnen. Die tatsächliche Effizienz und die Verlässlichkeit des Wesenstests hängt von der Kompetenz, der Erfahrung und dem tierpsychologischen Einfühlungsvermögen der prüfenden Gutachter ab. Fehleinschätzungen in der Beurteilung von Verhaltensweisen bei Hunden können einerseits dazu führen, dass latent gefährliche Hunde unentdeckt bleiben und zum anderen könnten dadurch auch „normale“ Hunde mit adäquater Aggression in ungerechtfertigte Bedrängnis kommen. Deshalb dürfen Wesenstests nur von Tierärzten mit fundierten Kenntnissen der Verhaltensforschung durchgeführt werden.