Hundeerziehung – was ist richtig?

Erziehungsirrtümer in der Hundewelt
Erziehungsirrtümer in der Hundewelt

In Sachen Hundeerziehung hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Doch trotzdem halten sich bestimmte Annahmen hartnäckig.

sprach mit Viviane Theby über populäre Irrtümer.

Die Tierärztin und Tier-Verhaltenstherapeutin Viviane Theby betreibt in der Eifel die „Tierakademie Scheuerhof“. In ihren Kursen über Hundeerziehung vermittelt die Ratgeberautorin vor allem, was sich am anderen Ende de Leine ändern sollte – „Menschen trainieren, wie man Hunde trainiert“ lautet deshalb ihr Motto.

Der beißt doch nicht!

„Das kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Alle Hunde können beißen. Dass so verhältnismäßig wenig Beißunfälle passieren, liegt eher daran, dass die Hunde so nett sind“, so Viviane Theby. Die Hundetrainerin empfiehlt, die Signale des Hundes genau zu deuten. Wenden Hunde den Blick ab und legen z. B. ihre Ohren an, zeigen sie, dass ihnen eine Situation unangenehm ist. Schon deutlicher wird die Körpersprache, wenn sich der Hund versteift, der Blick eindringlicher wird oder gar ein Knurren zu hören ist. Das alles sind Warnzeichen. Werden diese bei der Hundeerziehung ignoriert, kann es schon mal passieren, dass der Hund zuschnappt.

Hunde gehören nicht in die Stadt!

„Naja, wir leben ja schließlich auch nicht mehr in der freien Natur“, entkräftet Viviane Theby dieses Vorurteil. „Hunde sind sehr anpassungsfähig.“ Nach ihrer Auffassung können Hunde in der Stadt sogar ganz spezielle Erfahrungen machen, die ein Dorf- oder Landhund nicht hat. „Ich würde sogar sagen, dass man Welpen besser in der Stadt großzieht“, so die Tierärztin. „Dort lernen sie mit vielen Situationen umzugehen und treffen auf speziellen Hundeplätzen auf jede Menge Artgenossen. Auf dem Land begegnen einem andere Hunde ja recht selten.“

Welpen sollte man die Nase in ihren Urin stupsen!

„Also dieser Ratschlag für die Sauberkeitserziehung ist völlig überholt“, stellt die Hundetrainerin klar. „Bei einem Kleinkind würde man das schließlich auch nicht machen.“ Stattdessen hilft nur viel Geduld bei der Hundeerziehung: Den Welpen immer wieder ins Freie bringen und für jedes dort verrichtete Geschäft loben und belohnen. So lernt der junge Hund mit der Zeit, wo er hinmachen darf und wo nicht.

Hunde haben manchmal ein schlechtes Gewissen!

Hundehalter kennen die Situation: Man kommt in die Wohnung und der Hund begrüßt einen nicht freudig wie sonst, sondern verkrümelt sich in eine Ecke oder schaut scheinbar mit schlechtem Gewissen zur Seite. Er hat wohl etwas angestellt! „Dieses Verhalten gibt es tatsächlich“, erklärt die Hundetrainerin. „Das kann man jedoch nicht unbedingt als ‚schlechtes Gewissen’ auslegen.“ Vielmehr steckt hinter einem solchen Verhalten eine Verknüpfung: Der Hund hat den Teppich angeknabbert und weiß aus Erfahrung, dass sein Herrchen beim Anblick von Teppichflusen nicht gerade in Entzückung gerät. Das heißt: Der Hund weiß nicht, dass die Handlung an sich (im Beispiel: Teppich zerkauen) nicht erwünscht ist, sondern verknüpft „Teppichflusen“ mit „Ärger“. Oder das Tier reagiert einfach auch die Signale des Menschen und zieht sich deshalb zurück: „Hunde sind sehr feinfühlig und spüren oft schon, wenn der Halter in schlechter Stimmung die Wohnung betritt“, so Viviane Theby.

Ignorieren ist eine starke Strafe!

„Das ist richtig. Hunde sind soziale Tiere, sie brauchen den Kontakt zu ihrem Menschen. Entzieht dieser seine Aufmerksamkeit, ist das für den Hund sehr schlimm.“ Aber: Eine halbe Minute Ignorieren ist in der Hundeerziehung völlig ausreichend! Am besten bei unerwünschtem Verhalten wie z. B. Anspringen oder wildem Bellen den Hund für einen kurzen Moment links liegen lassen und überhaupt nicht auf ihn reagieren. Längere Phasen kann der Hund nicht gut ertragen, außerdem können die Vierbeiner nur ein bis zwei Sekunden lang eine Verbindung zwischen ihrem Verhalten und der Reaktion ihres Menschen herstellen. Deshalb: Lieber kurz, dafür häufiger ignorieren und diese Strafe sofort nach dem Fehlverhalten einsetzen.

Ein Klaps auf die Schnauze kann nicht schaden!

Denn schließlich kneift die Hundemutter ihre Welpen auch, wenn sich diese nicht gut benehmen. Stimmt das? „Also erstens sollten wir uns nicht auf ‚Hundeniveau’ begeben und zweitens kann körperliche Bestrafung schlimme Folgen haben“, warnt Viviane Theby. Denn: Falls der Hund beispielsweise während des Klapses oder beim Schnauzengriff gerade ein Kind im Blickfeld hat, kann es passieren, dass er ‚Schmerz’ und ‚Kind’ in einen Zusammenhang stellt und später für uns völlig überraschend reagiert. Etwa, wenn ein Kind das Tier streicheln will und der Hund in Erwartung von Schmerzen zuschnappt. „Ich lehne körperliche Bestrafung ab“, so Viviane Theby. „Ignorieren oder den Hund für eine halbe Minute wegsperren ist ebenfalls wirkungsvoll, aber ungefährlicher.

Hunde und Katzen verstehen sich einfach nicht!

Zwar jagen viele Hunde Katzen gerne, die Samtpfoten wecken einfach ihren Jagdinstinkt, aber bei entsprechender Sozialisation kann man die Tiere gut aneinander gewöhnen. „Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass man mit Geduld und mit vielen kleinen Trainingsschritten ältere Hunde, die zuvor regelrechte Katzenhasser waren, umerziehen kann“, erzählt die Tierärztin. „Mein eigener Hund ist schon so an unsere Katze gewöhnt, dass er sich von ihr Dinge abschaut und sich schon fast so putzt wie sie!“ Also: Die Streithähne langsam aufeinander vorbereiten – dann steht einer tierischen Freundschaft nichts im Wege.Kontakt zur Tierärztin und Tier-Verhaltenstherapeutin Viviane Theby bekommen Sie in der Tier Akademie.

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