Gefütterte Kohlmeisen-Männchen fangen morgens später an zu singen. Wer sich also durch zu frühes und zu lautes Gezwitscher gestört fühlt, kann die kleinen Sänger bestechen: Meisenknödel auf seinem Balkon oder Garten aufhängen und sie füttern. Das sollte aber auf den Winter beschränkt bleiben!
Wie die Fütterung das Verhalten der Vögel beeinflusst, ist kaum bekannt.
Vogelexperten wissen, dass Blaumeisen, die im Winter gefüttert werden, zur Brutzeit früher Eier legen und mehr Nachkommen haben als ihre nicht gefütterten Artgenossen. Immer häufiger jedoch bleibt die Vogelfütterung nicht nur auf den Winter beschränkt, sondern wird bis in den Frühling oder sogar ganzjährig praktiziert. Dabei sind Tierfreunde oft verunsichert und stellen sich vermehrt die Frage: Sollte man nun Meisen füttern oder lieber nicht?
Futtergäste lenken vom Singen ab
Katja Saggese und Dr. Valentin Amrhein von der Universität Basel haben nun zusammen mit Kollegen der Universität Oslo und der Schweizerischen Vogelwarte Sempach untersucht, wie Kohlmeisen-Männchen reagieren, wenn bis Anfang April, kurz vor Beginn der Eiablage, in ihren Revieren Vogelfutter angeboten wird. Resultat der Studie über das Meisen füttern: Männchen, die in ihrem Revier gefüttert wurden, fingen morgens durchschnittlich 20 Minuten später an zu singen als ihre nicht gefütterten Kollegen. Der Grund für diesen verzögerten Gesangsbeginn ist noch unklar; möglicherweise lenken andere Vögel und männliche Rivalen, die durch die Fütterung in das Revier gelockt werden, das revierbesitzende Männchen vom Singen ab.
Gefütterte Männchen haben mehr „Kuckuckskinder“
Frühere Studien haben aber gezeigt, dass der Gesang der Vögel vor Sonnenaufgang eine besondere biologische Rolle spielt. Bei der Kohlmeise wird vermutet, dass der frühmorgendliche Gesang auch dazu dient, das eigene Weibchen vom Fremdgehen abzuhalten. Möglicherweise sind also gefütterte Männchen, eben weil sie morgens später anfangen zu singen, weniger erfolgreich bei der Verteidigung des eigenen Weibchens. Kohlmeisen füttern hat in diesen Fällen auch zur Folge, dass gesättigte Männchen mehr «Kuckucksjunge» im Nest vorfinden und damit einen geringeren Fortpflanzungserfolg haben.
Soll man nun im Winter überhaupt Kohlmeisen füttern?
Die Forscher empfehlen maßvolles Füttern vor allem bei Dauerfrost und geschlossener Schneedecke. Aufgrund der jüngst gemachten Ergebnisse raten sie allerdings, spätestens Ende März mit dem Füttern aufzuhören, damit die Tiere im April ungestört dem Brutgeschäft nachgehen können. Für alle Tierfreunde (und Langschläfer) gilt: Meisen füttern, aber bitte in Maßen!