Ab dem 25. Januar präsentierte Andreas Kieling, in seiner rund zweistündigen Show durch 24 deutsche Städte, seine bewegendsten Momente mit wilden Tieren in aller Welt und erzählt von seinen Abenteuern rund um den Globus („Meine Expeditionen zu den Letzten Ihrer Art“), und auf seinen Wanderungen durch Deutschland („Ein deutscher Wandersommer“).
Im März 2012 erschien sein Buch „Durchs wilde Deutschland“.
Andreas Kieling hat als Tierfilmer neue Maßstäbe gesetzt: Keiner vor ihm kam wilden Tieren wie Grizzly-Bären, Salzwasserkrokodilen, giftigen Waranen, Wüstenelefanten, Berggorillas… so nahe wie er. Keinem gelang es so das Vertrauen dieser Tiere zu gewinnen, um wirklich einzigartige Aufnahmen mit nach Hause zu bringen.
Wie wird man Tierfilmer?
Tierfilmer wird man in erster Linie durch eine ganz große Leidenschaft der Natur gegenüber. Und dass man neugierig ist auf die Natur, die Tiere, das Abenteuer und auf ferne Regionen. Bei mir hat das schon als Kind angefangen – meine Großmutter musste mir immer die Hosentaschen umkrempeln, wenn ich abends reinkam, weil ich immer irgendwelche Käfer, Schnecken, Würmer reingesteckt hatte.
Worauf kommt es beim Filmen ganz besonders an?
Auch hier sind es Leidenschaft und diese unendliche Neugierde auf die Natur, die Welt, die Tiere. Aber auch Ausdauer und Beharrlichkeit. Wenn man das hat, ist man erfolgreich. Ein Tierfilmer schaut nie auf die Uhr oder denkt: Oh, ich muss noch drei Wochen hierbleiben. Ein Tierfilmer sagt sich immer: Schade, in drei Wochen ist es schon wieder vorbei – ich hätte lieber noch drei Monate.
Ein Tierfilmer braucht aber auch ein gutes fotografisches Auge, er muss mit Hightech-Kameras umgehen können – auch in Stresssituationen. Im Studio ist das alles einfacher, doch draußen ist es eiskalt, die Finger frieren ab, es pfeift der Schneesturm und dann läuft der Eisbär genau auf dich zu – und in dieser Situation muss man dann die Schärfe nachziehen und den Fokus im Auge behalten – das ist alles andere als einfach.
Der dritte Faktor – und meiner Meinung nach der Wichtigste: man braucht ein unendliches Wissen über Tiere. Denn es gibt bestimmt bessere Kameraleute, aber es gibt nur wenige, die gleichzeitig Kameramänner sind und auch wissen, was im nächsten Moment mit dem Tier passiert.
Welches Erlebnis ist dir besonders gut in Erinnerung geblieben?
Einmal kam ich nach fünf Monaten Pause wieder nach Alaska zurück. Es war im Frühling und die ersten Grizzlys kamen aus ihren Höhlen raus, teilweise mit ihren Jungen. Und da war eine Bärin mit ihrem Nachwuchs, die kam auf mich zu. Ich merkte an ihrem Verhalten, dass sie mich an meinem Geruch, an meiner Stimme, am ganzen Verhalten wiedererkannte. Bei mir dauerte es mit dem Wiedererkennen etwas länger, weil sie natürlich über den Winter abgemagert war. Doch dieses Erlebnis war für mich ein ganz starker Moment.
Hattest du auch richtig gefährliche Erlebnisse?
Nördlich der Beringsee war ich einmal mit einem Inuit mit dem Motorschlitten unterwegs. Er sollte mich zu einem Jagdcamp bringen. Er trat richtig aufs Gas und da ich bin vom Schlitten gefallen! Er hat es nicht gemerkt und ist einfach weitergefahren. Ich stand da auf einmal im Nichts – mitten auf dem Packeis, mit meiner Kamera und dem Stativ. Ich hatte keine Waffe und kein Bärenspray obwohl es in dieser Gegend von Eisbären nur so wimmelte.
Gut, dachte ich mir, ich gehe einfach den Spuren des Motorschlittens nach – irgendwann wird der Eskimo schon zurückkommen. Falsch. Er kam nicht mehr. Mein Glück und meine Rettung waren zwei Eskimomädchen auf ihrem Schlitten. Sie hielten mich für einen völligen Idioten allein hier draußen und als ich ihnen erzählte, was passiert war, haben sie mich einfach ausgelacht. Da die beiden sehr dick waren, hatte ich auf ihrem Schlitten keinen Platz mehr und musste auf dem mit Robbenspeck und Öl verschmierten Packschlitten Platz nehmen. So kam ich dann wieder ins Inuitjagdcamp zurück…
Es gibt ein Bild von dir, auf dem ein wütender Elefant auf dich zustürmt. Was ist da passiert?
Das war wahrscheinlich die gefährlichste Situation in den letzten zehn Jahren, in der Namibwüste. Sie war eine Elefantenkuh, die eine kleine Herde anführte, mit der ich zwölf Tage zusammengelebt hatte. Wir hatten uns aneinander gewöhnt. Was ich nicht wusste – die Herde hatte sich nachts über das Hirsefeld eines benachbarten Himbastammes hergemacht – und einer von den Männern hatte mit einer Schrotflinte auf diese Elefantenkuh geschossen.
Am nächsten Tag am Sumpfloch kam diese Kuh dann auf mich und meine Kamera zu. Anfangs dachte ich, dass es eine Art Begrüßung sein sollte – obwohl es schon ein wenig komisch aussah. Ich habe dann einfach erstmal weitergedreht, weil ich dachte, dass sie mich niemals angreifen würde. Und auf einmal wurde mir klar, da stimmt was nicht. Ich laufe um mein Leben und sie hinter mir her. Dann drehe ich mich um und auf einmal stoppt sie, dreht sich um und geht zu ihrer Herde zurück, als ob nichts gewesen wäre.
Warum ist sie umgedreht?
Nun, sie hat gemerkt, dass ich flüchte. Diese Reaktion ist typisch für Tiere: wenn man einlenkt, lenken die auch ein.
Wie gelingt es dir, an wilde Tiere so nah heranzukommen?
Man muss sehr viel über Tiere und ihre Verhaltensmuster wissen. Und dann versuche ich natürlich, das Vertrauen der Tiere zu gewinnen.
Du bist auf der ganzen Welt unterwegs – und dann wandert Andreas Kieling auf einmal durch Deutschland. Warum?
Es war eine Wanderung durch acht Bundesländer und in die Vergangenheit, bei der sehr viele Kindheitserlebnisse von mir wach wurden. Ich habe ganz oft laut für mich gerufen: Deutschland, was bist du schön! Und damit meine ich die Landschaften, die Natur, die Tierwelt, die alte gewachsene Kultur, die überall präsent war.
Und natürlich auch die Begegnung mit Menschen. Man hat auf einmal Zeit und Lust, sich auf Menschen und Gespräche einzulassen. Außerdem war meine Hündin Cleo meine treue Begleiterin auf dieser Reise. Wir sind dabei so eng zusammengewachsen, dass ich es heute kaum aushalte, wenn ich mal drei Tage ohne den Hund bin.
Du bist demnächst mit deiner ersten Multivisionsshow unterwegs. Was wird die Zuschauer erwarten?
Ich möchte den Zuschauern erzählen, was für faszinierende Begegnungen ich mit Wildtieren hatte und was ich alles erlebt habe. Natürlich werde ich auch von der einen oder anderen Geschichte erzählen, die nicht so lief, wie es ursprünglich geplant war. Zum Teil gab es sehr kritische Erlebnisse – aber natürlich auch sehr lustige. Davon werde ich berichten.
Vielen Dank für das Gespräch!