Verhaltensforscher empfehlen: Bei der Aufzucht von Pferden sollte man behutsam vorgehen. Denn ob ein Pferd später zutraulich oder scheu ist, hängt von frühen Erfahrungen ab. Zu diesem erstaunlichen Ergebnis kommt eine aktuelle Studie.
Pferde sind sehr empfindsame Tiere. Wie sensibel, zeigt eine aktuelle Untersuchung französischer und tunesischer Verhaltensforscher. Sie untersuchten 28 Fohlen, die kurz nach der Geburt auf unterschiedlichen Körperhälften berührt wurden. Die einen erhielten Streicheleinheiten und Zuwendung von rechts, die anderen von der linken Seite. Nach einer erneuten Annäherung nach zehn Tagen, zeigten die beiden Gruppen deutliche Unterschiede: Die Fohlen, die von rechts berührt wurden, waren eher scheu und wichen erneuten „Annäherungsversuchen“ stärker aus. Die jungen Pferde, die zuvor von links gestreichelt wurden, zeigten sich dagegen zutraulich. Interessanterweise war die Kontrollgruppe, die während der Studie in den ersten Tagen gar nicht berührt wurde, am gelassensten.
Berührungen lösen Stress aus
Das Forscherteam um Alice de Boyer des Roches führt diese erstaunlichen Verhaltensunterschiede auf den Stress zurück, den der menschliche Kontakt kurz nach der Geburt auslöst. Je nachdem, von welcher Seite die Zuwendung kommt, nimmt dies das Pferd als starke oder weniger starke Bedrohung wahr. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass hierbei die unterschiedliche Spezialisierung der Gehirnhälften eine Rolle spielt. Die linke Gehirnhälfte – die die rechte Körperseite steuert – scheint bei Pferden für das Verknüpfen von Erfahrungen und Emotionen verantwortlich zu sein. Stresssituationen – also etwa menschliche Berührungen – werden schneller und dauerhafter als in der rechten Gehirnhälfte abgespeichert.
Fohlen auf der linken Seite streicheln
Nach einigen Tagen und weiteren Berührungen waren allerdings keine Verhaltensunterschiede mehr zu erkennen, die Pferde trugen also keinen Schaden davon. Die spannende Frage, wie sich diese frühen Erfahrungen auf späteres Verhalten auswirkt, wird die Wissenschaftler allerdings noch weiter beschäftigen. Denn möglicherweise lassen sich diese Erkenntnisse auch auf andere Tierarten und sogar den Menschen übertragen. Zumindest gilt erst mal für Pferde: Wer ein neugeborenes Fohlen streichelt, sollte dies von der linken Seite tun.